Erinnern an Raphael Peinkofer - 3

Wünschte, ich könnte dich retten,
dich halten, körperlich hindern
daran, was du schon vor über
vier Wochen, tatsächlich,
und einsam hast getan.

Wünschte, ich könnte dich
treten, streiten, mit dir
diskutieren - dich beknien
auf allen Vieren,
ich wünschte, du hättest
es nicht getan.

Und doch bin ich einverstanden,
was ist denn Respekt, wenn
nicht verstehen - dir war gegeben
ein eigenes Leben, das musstest
und durftest du alleine gehen.

Deine Eltern haben dich
gezeugt, in die Welt gebracht,
und auf den Weg gesetzt. So
sehr dein Tod und die Art deines
Verscheidens sie vielleicht
auch verletzt - dein Leben
war dein zu leben, und
anscheinend ist es uns
nun mal gegeben, es auch
zu beenden, wenn wir nur
entschlossen oder verzweifelt
genug sind.

Ich kann das nicht verstehen,
nach dergleichen stand mir nie
der Sinn. Aber ich kann es
respektieren, obgleich dein Akt
mir nicht willkommen war.
Und natürlich wünschte ich, du
wärest weiter am Leben, vor allem:
Glücklich, und noch da.

So ist es aber nicht. Das ist nicht
die Wirklichkeit, von der dein
Grab mir spricht. Von der die
Blumen sprechen, die ich dafür
gebrochen - und wer weiß,
vielleicht hast du ihren Duft
ja doch gerochen.

Ade, mein Freund, ade.
Oh, was tut das Scheiden weh. 

23.6.15 

Erinnern an Raphael Peinkofer - 2

Mein Verstand steht still
weil er das einfach nicht
glauben kann oder will.

---


Mein Herz weint, und lässt dich
los in die Unendlichkeit,
mit der deine Sehnsucht -
oder war es Verzweiflung -
dich letztlich hat vereint.


---

Wo bist du hin gegangen?
Wieso? Warum? Meine
Gedanken kreisen, doch
meine Welt steht stumm.

Hat aufgehört, sich zu drehen,
meine Beine wollten
nicht mehr weiter gehen. Seither
fließt die Welt um mich
herum, ich fühle mich
leer und manchmal dumm.

Verständnis ist unmöglich hier,
egal wieviel wir uns erklären,
so manches wird Geheimnis
bleiben, in für Lebende 

verborg'nen Sphären.


---


Ich hab dein Lächeln noch im
Ohr, deine Stimme noch
in meiner Haut. Dein Schweiß
benetzt noch mein Gesicht
- doch du bist schon seit
Wochen fort.

---

Dein Tod hat meinen Blick
geweitet, jetzt sehe ich die
Menschen anders an:
Hat ein Verlust auch dich
schon geweitet, hast du erlebt,
dass ein geliebter Mensch gegangen?


---

Das Buch ist zu,
ein Mysterium bist du.
Auf ewig ungelöst und
auf ewig vorbei. 


19. u. 17.5.2015

Erinnern an Raphael Peinkofer - 1

Die Menschen um mich sind alle 
bewegt - doch ich, ich sitze still.
Weil mein Körper seit der
Nachricht deines Todes
einfach nur still sitzen will.

Will sich nicht mehr wirklich
regen, außer langsam, mit
Bedacht. Denn die Botschaft
deines Todes hat mich
getroffen und wach gemacht.

Wach! Für die Kostbarkeit
des Lebens, denn ich lebe fort,
und nicht mehr du.

Wach! Für die Vergeblichkeit
des Strebens - keiner entkommt
dem Tod, nicht ich, später,
nicht jetzt: Du.

Wach! Für alles, was ich mit
dir geteilt hab', manches schön,
und manches nicht.

Wach! Für den kühlen Luftzug,
den Windhauch, der gerade jetzt
fächelt mein Gesicht.

Und machtvoll brach über mich
herein, dass jedes Leben endlich
ist: Das des Blattes, das des Baumes;
eine Tatsache, die man gar zu leicht
vergisst. Und erst im Tode eines
Lieben ganz ermisst.

Der Tod klopft an, als Teil
des Lebens; dein letzter Schuss
ein schmerzhaftes Geschenk -
das, wenn ich nachsinn', ich
wünschte ungegeben, doch
da es nun einmal in meiner
Seele hängt:

Wie geht Trauern, wie geht Schmerz,
da du mir so nahe warst?
Ich weiß, viel davon war
ausgedacht - doch elf Jahre,
immer wieder Begegnung,
die hab ich nicht allein' gemacht.


Das Buch ist zu. Es wird kein
neues Kapitel geben, hier endet
der Fortsetzungsroman. Und
auch mein vergeblich Streben,
dir zu helfen, dich zu retten -
welch' ein Wahn.

Der Hände gab es sicher viele,
nicht nur meine, ganz gewiss
- sie haben dich vielleicht eine
Zeitlang gehalten, im Leben,
doch am Ende hast du
den Frieden zu sehr vermisst. 
 
19.6.15, eine Woche, nachdem ich von Raphaels Selbstmord durch Erschießen am 17.5.15 erfahren habe.